Zwei Künstler – zwei Epochen Malerei in Dresden. Veit Hofmann und Danny Linwerk in der Galerie Ines Schulz

von Dr. Klaus Nicolai

Es gibt wohl derzeit keine Ausstellungssituation zeitgenössischer Kunst, welche die malerischen Umbrüche der letzten 70 Jahre in Dresden anhand von nur zwei künstlerischen Positionen auf den Punkt bringt: Die Retrospektive der Werke des Dresdner Urgesteins Veit Hofmann anlässlich seines 80. Geburtstages neben der Präsentation von Danny Linwerk, einer der wohl markantesten Dresdner Nachwuchsmaler der „Neuzeit“.
Wer meint, dass dies Gelegenheit für einen Clash of Generation bieten würde, hat dabei recht und unrecht zugleich: Die Veit-Hofmann-Retrospektive reflektiert das hier in den 70er Jahren geöffnete Feld der Malerei im Zustand eines permanenten experimentellen Formulierens ganz in der Tradition der Moderne, welche bis hin zu den „Jungen Wilden“ reicht und sich in Dresden höchst eigenwillig – z.B. in Werk und Leben von A.R. Penck – zu einer unverwechselbaren „Ansprache aus dem Osten“ fokussierte.
Das Werk von Veit Hoffmann ist wie eine Art Resonanzraum, für all das Expressiv- Provokante einer Wende-Epoche an deren Ende sich die geografisch ideologischen Trennlinien zwischen Ost und West in Höchstgeschwindigkeit aufgelöst haben. Dieser Umbruch lag für sensible hiesige Kunstschaffende spätestens seit Ende der 70er Jahre in der Luft und wurde von Dresdner Malern wie Veit Hofmann in einen Ausdruck permanenten Suchens und Heraus-Forderns komprimiert.
Man könnte in Anlehnung an Fernando Pessoas „Buch der Unruhe“ durchaus von einer Dresdner „Malerei der Unruhe“ sprechen. Die Avantgarde-Künstler hier im Elbtal waren allerdings weit vor ihrer Stadtgesellschaft „Auf dem Sprung“ in eine andere, durch und durch von innen gefärbte Welt. Dies fern jeglicher Behaglichkeit und zugleich ohne Ambition auf Star-Kult-Plätze oder merkantile Weltmarkt-Eitelkeiten.
Beim Übergang in den kleineren Ausstellungsraum Nr. 2 vis-à-vis hatte ich den Eindruck, dass ich nicht nur die Straßenseite des Obergrabens, sondern in eine andere, weitgehend noch vor uns liegende Epoche wechsle. Es ist die Epoche eines Dresdner „Nach-Wende- Künstlers“, der sich nie wenden, nie provozieren oder in welcher Form auch immer auf sich aufmerksam machen musste:
Das Werk des Danny Linwerk scheint schon weit vor seinem Studium an der hiesigen Kunstakademie (2011 bis 2016 sowie von 2019 bis 2022) tief in ihm selbst verankert zu sein. Es befindet sich scheinbar jenseits von Zeitgeist-Historie und vollständig diesseits im Reich des Seelischen. Ein Reich feinster Nuancen, wohl gestimmter Töne und subtilster Erzählungen. Das Ganze gemacht aus Körpern, die sich scheinbar ständig aus sich selbst hervorzubringen scheinen; Räume und Flächen, die wie selbstverständlich sowohl dem Reich des Realen wie Fiktionalen angehören …
Kurz: Die Welt als stilles Leben zwischen Umgebungen, Dingen und Menschen in bescheiden achtsamer Zugewandtheit und mit einem mutigen Augenzwinkern ob des Aberwitzes menschlichen Daseins.
Auch hier geht es nicht, wenn es auch so scheinen mag, um Behaglichkeit, sondern um eine fast Welt vergessende Gelassenheit: Wir betreten mit Linwerks Malerei die Dimension des sich Wunderns, des „Wie-denn-überhaupt-alles-so-sein-kann“. Wenn Max Weber, der soziologische Analyst des „protestantischen Arbeitsethos“ um die Wende ins 20. Jahrhundert eine fatale „Entzauberung der Lebenswelt“ diagnostizierte, dann trifft dies vollendet auf die kybernetisierte Spätzivilisation nicht nur zu, sondern verweist darauf, dass die Welt technokratisch gesehen noch schnöder, noch funktionalisierter und verwertbarer geworden ist. Vielleicht sind wir nie modern gewesen (Agamben) und haben uns allen Fortschritt vor lauter Todesangst nur eingebildet …
Und hier kommt das Verbindende zwischen Veit Hofmann und Danny Linwerk zum Vorschein – es liegt in der Macht einer Ästhetik des Hinüberschauens, hinüber in Dimensionen, die ewig im Menschlichen Dasein ruhen und hier und da – eben im Künstlerischen – aufscheinen.
Mit der Versenkung in die Bilder Danny Linwerks, die scheinbar Profanes zeigen – Kochen, Lesen, Musizieren oder einfach Äpfel schälen –, erscheint in mir die Ahnung einer auf uns zu kommenden, ja vielleicht längst angebrochenen Post-Renaissance. Dies nicht im Sinne einer historisierenden Reinszenierung (Post-Moderne), sondern als eine leibhaftige Rückbindung an ein hier und jetzt Mensch-Sein-Können – ob einsam oder gemeinsam, versunken oder verspielt, gedacht oder gemacht …
Wenn bei Veit Hoffmann eine Mischung aus Eros und Zivilisationskritik die Bildsprache einfärbt, so erscheint beim viel jüngeren Danny Linwerk sowohl gegenüber der Historie als auch der Libido eine Dimension der Transzendenz auf. Eben nichts für unruhige, sensationslüsterne Geister. Ansonsten ist diese noch bis zum 25. Mai zu sehende Schau allen Seelen-Menschen zu empfehlen.

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