Frische Bild-Einblicke – „The Artist’s Gaze“ in der DNN
Bericht vom 14.02.2017 / DNN
Frische Bild-Einblicke
Sechs Meisterschüler der HfBK stehen für Vielfalt in der Galerie Ines Schulz
von Klaus Nicolai
Um den ersten Eindruck vorwegzunehmen: Bei der Ausstellung The Artist‘s Gaze (Der Blick der Künstler) scheint tatsächlich jede(r) in der Galerie Ines Schulz Contemporary Art Beteiligte die Welt völlig anders wahrzunehmen, was zugleich wie eine kleine Reise durch historische wie zeitgenössische Befindlichkeiten in der Welt anmutet: Parallelwelten mit hoher handwerklicher Präzision, die keinerlei Berührung miteinander zu haben scheinen: Absonderungen oder Absonderliches, das sich mit scheinbarer Leichtigkeit an die großen „abendländischen“ Stile bis ins „Zeitgenössische“ohne Bedenken anlehnt. Die Akademie trägt heute wieder zurecht ihren Beitrag zum Akademischen bei.
Das ist gut so, kann aber – von hier und heute aus gesehen – auch hinterfragt werden: hinter dem gelernten und korrekt angewandten maltechnischen Pluralismus stehen freilich starke professorale Markenzeichen, die auch hier mehr oder weniger deutlich – vielleicht auch ‚akademistisch‘ – hervorlugen. Scheinbar müssen wir uns heute, da vieles wegrutscht, unsicher, beliebig, oberflächlich und flüchtig daherkommt – sehr auf das Können und die Beherrschung verlassen, was möglicherweise auch in der Kunst das Technische über das Künstlerische hinweg schiebt.
Wiebke Herrmann
Um es kurz zu sagen: Es wird nicht laut aufgeschrien, sondern eher der Atem angehalten bei der exakten Führung des Pinsels hin zur vollendeten Komposition. Dafür stehen vier der sechs vertretenen Künstler. Zuerst sei da die bereits zum zweiten Mal in der Galerie ausgestellte Wiebke Herrmann (Meisterschülerin von Christian Macketanz) genannt, nunmehr mit dem Pferd- Selbst-Arrangement „Wildfang V“ und Tierporträts vertreten. Die stilistische Rückbindung an den deutschen akademischen
Realismus des 19. Jahrhunderts ist offensichtlich. Und doch irritiert „Wildfang V“ zugleich durch das Bild-Sujet: eine über dem Pferd schwebende Frau, deren Haare mit denen des Schweifs eigenartig changieren. Auf jeden Fall ein Beitrag zur Stille inmitten der Ungewissheiten: Wird sich das Bild gut verkaufen? Vielleicht eher der Erpel im dunklen Kreisrund? Oder Superstella, die Hündin mit dem aus dem Bildrand ragenden roten Schleier.
Ruben Alexander Müller
Beste, ebenfalls sehr schweigsame Naturstudien von Ziegen zeigt Ruben Alexander Müller (ebenfalls Student bei Christian Macketanz) im meisterlichen Stil. Fern von jeglichem Blöken herrscht hier Nachdenklichkeit – ja man sollte meinen, dass Ziegen mehr über sich und die Welt verstehen als wir Menschen.
Danny Linwerk
Ganz und gar stilvoll still – oder erklingen da Etüden von Bach? – ist es bei den Farb-Kompositionen von Danny Linwerk. Hier ist in mir spontan eine eher ‚metamorphorische‘ Assoziation zu seinem Lehrer, dem Installationskünstler Wilhelm Mundt, aufgetaucht: Die zwischen Romanik, digitaler ‚Animiertheit‘ und naiv-sachlicher Stilisierung bewegten Objekte und Raumsituationen wirken liebenswert künstlich, ja haben den Spielzeug-Blick eines Kindes. Die Welt als frische Kost und doch ungenießbar – nicht glatt, sondern pigmentigstumpf, ja wie ausgetrocknet wirkt der Farbauftrag. Einzig in „Umbrian Smile“ begegnet dem Betrachter eine komplexere, scheinbar sakrale Situation: Eine Figur mit fragendem Blick in Richtung Altar – oder Monitor, oder …?
Cecilia Pape
Noch ein wenig verschlossener schweigen die surreal-ikonenhaft anmutenden Bilder von Cecilia Pape (Meisterschülerin von W. A. Scheffler). Die ebenfalls radikal flächig, ja glatt komponierten ‚Ikonen‘ erzählen verwirrend sparsame Geschichten über schwebende Dinge und Konstellationen in imaginierten Leer-Räumen: Kugeln, signalartige Zeichenkonstrukte verbunden mit fragilen Linien, manchmal dünn wie Fäden. Interessant die extreme Spannung zwischen organischer Zeichnung, ungreifbarer Flächigkeit und konstruierten Objekten; zwischen scheinbar handgreiflichen Objekten und der ins Nichts führenden Raumsituation. Bilder der Kontemplation, der Entrückung, der Transzendenz: diese werden sich so schnell nicht durch ein häufigeres Hinsehen abnutzen – eben weil sie dem Betrachter Raum lassen und immer wieder ein neues Hinein-Blicken anstiften.
Martin Paul Müller
Und doch gibt es in jedem der beiden Galerieräume eine ins Auge springende Abweichung: Da jagt in der Hauptgalerie ein rasendes Hunderudel (Hunde 5) einen Schneewirbel so hinter sich her, dass die sich in ihrer Beschleunigung scheinbar selbst auflösenden Körper davon eingeholt werden, ja sich selbst überholen. Im Bild „Reiter I“ donnert ebenfalls ein Prozess der Selbst-Auflösung durch ‚Überschleunigung‘: zwei aus diffus grauem Nebel durch den rechten Bildrand fliegende Jockeys. Hier geht es scheinbar um Leben und Tod in Richtung eines gnadenlosen Fluchtpunktes: galoppierende Konkurrenz. Bild „Two“ handelt scheinbar von Verrenkungen eines jungen Mannes zwischen Amputation und verzweifeltem Tatendrang. Alles fein komponiert durch klare Schwarz- Weiß-Kante und ins Leere fallender, sich selbst auflösender grau-weißer Flächen. Bei Martin Paul Müller (Meisterschüler bei Wolfram A. Scheffler) findet man auch etwas von der expressiv ‘schmutzigen‘ Dresdner Malschule wieder. Dies durchaus im Duktus eines ästhetischen Aufbegehrens, Widerstehens und mit einer Dynamik, ja Aggressivität geladen, die an globale, wie auch provinzielle „Hoheitskämpfe“ erinnert.
Constanze Deutsch
In der kleinen Galerie vis-à-vis dann noch ein Punkt der Unruhe, der schrillen Irritation. Constanze Deutsch, auch zum zweiten Mal in der Galerie präsent, deutet mit ihren ‚Pop-Comic-Ikonen‘ in schier unerschöpflicher und skurriler Mix-Media- Bildsprache auf den uns umgebenden globalistischen Kosmos kultureller Ikonografie. In ihrem Triptychon „Monster I-III“ purzeln mystisch asiatisch anmutende Symbolfiguren durcheinander. Die teilweise hohe Ereignisdichte in ihren Bildern erinnert an Halluzinationen oder Träume, in denen sich Welteindrücke in Bruchteilen von Sekunden offenbaren: Wir sind mitten in einer Überflutung von Waren und Zeichen, die an ihrer Oberfläche mehr und mehr den Fetischcharakter asiatischer Kultobjekte und Rituale suggerieren. Ein Paradies, das sich bei näherem Hinschauen als hedonistisches Chaos oder sexy Dystopie offenbart. Auch in den kleineren Porträts handelt Constanze Deutsch (ehemals Meisterschülerin von Lutz Dammbeck) von leibhaftigen Konstellationen in absurden Situationen. Sie arbeitet dabei mit fast allen bildnerischen Mitteln so gekonnt, dass sie nun mittlerweile längst nicht mehr zum künstlerischen Nachwuchs gehört. Nur, wie kommt man über Dresden hinaus? Existieren hier Sprungbretter für die neuen, wirklich großen Talente der Bildenden Kunst? (Die Frage könnte man durchaus auch auf den Tanz beziehen.) Zumindest haben die Galerie Ines Schulz und Kuratorin Nina Schwarzenberger diesbezüglich einen wichtigen und streitbaren Beitrag geleistet.