HELLO RUDI | Peter Herrmann
Die Stadt Dresden ist Ausgangspunkt des künstlerischen Wirkens von Peter Herrmann und prägte ihn als Mensch und Maler. Dresden wurde in den künstlerischen Anfangsjahren ein zentrales Sujet für Peter Herrmann, formte seinen Duktus und nahm letztlich die Position der von ihm bewusst verlassenen Stadt als Ausgangspunkt in neue Welten ein.
Der in Großschönau in der Lausitz im Jahre 1937 geborene Peter Herrmann gelangt nach der Evakuierung Breslaus ins Haus seiner Großeltern nach Dresden. Prägend waren hier nicht nur das Er- und Überleben der Bombardierung, sondern auch der Geruch und das Anmischen der Farben, die sein Großvater für seine Porzellanmalereien verwendete. Sein Bedürfnis sich künstlerisch zu betätigen, reifte dadurch schon in früher Kindheit. Später, Mitte der 50er Jahre, findet sich Peter Herrmann zwar außerhalb der Kunstakademie wieder, war jedoch stetiger Besucher der kreativen Diskussionsrunden bei dem Maler und Regisseur Jürgen Böttcher-Strawalde. Zusammen mit seinen Freunden und Weggefährten Ralf Winkler, als A. R. Penck bekannt, Peter Graf, Peter Makolies und Winfried Dierske arbeitete er an gemeinsamen Projekten. Die Künstlerfreunde beschäftigten sich mit großen Meistern der Kunstgeschichte, wie Picasso, Rembrandt, Giotto oder Cranach. Sie schulten ihren Blick und ihre künstlerische Tätigkeit, vor allem ohne Vorgaben einer institutionell geregelten Akademieinstanz und organisierten sich im Jahr 1953 schließlich als Künstlergruppe Erste Phalanx nedserd. Später beteiligte sich Peter Herrmann zusammen mit A. R. Penck in der Gruppe Lücke – eine Anspielung auf die Dresdner Künstlergruppierung Brücke.
Der künstlerische Austausch und Dialog innerhalb dieser Gruppe, so unterschiedlich die Arbeitsweisen der einzelnen Künstler auch waren, war ein zentraler Bestandteil der regelmäßigen Treffen. Das Experiment der gemeinschaftlichen Kunstproduktion wurde auch im Obergraben Nr. 9 zur Obergrabenpresse realisiert. Hier entstanden hochwertige Sondereditionen und Grafikmappen mit Gedichten. Das Umherwinden der Künstler in der DDR und die Notwendigkeit ihre Kunst mehr in Verschlüsselung als reine künstlerische Aussage aufzufassen, fand bei den Künstlern um Strawalde kaum Anklang. Peter Herrmann wandte sich gegen die Kulturpolitik der DDR-Regierung und verweigerte sich der Rolle des bekämpften Oppositions-Künstlers. Als Peter Herrmann 1984 die DDR verließ, waren schon eine Vielzahl an Wegbegleitern, wie auch sein enger Freund A. R. Penck ausgebürgert wurden. Nach Aufenthalten in Hamburg und London, lebte und arbeitete Peter Herrmann in Westberlin. Es folgten Ausstellungen in Paris, Rio de Janeiro, New York, London und zahlreiche in Berlin. Peter Herrmann wurde 1998 der Villa-Romana-Preis verliehen, 2001 erhielt er den Fred-Thieler-Preis in der Berlinischen Galerie.
Auch nach zahlreichen Reisen und Arbeitsaufenthalten blieben die Städte, Dresden und Berlin motivisch der Dreh- und Angelpunkt seines Schaffens. Dresden wird hierbei eng mit der eigenen Familiengeschichte verknüpft, nimmt zudem die Position der verlassenen Heimat ein. Interessant zu beobachten ist hierbei, dass der Beginn des Malens seiner Eltern- und Dresden-Bilder fast zeitgleich, jedoch erst nach seiner DDR-Ausreise entstanden sind. Das Motiv Berlin gestaltet sich auf eine motivisch komplexere Art und Weise. Während der frühere Duktus detailreicher zu charakterisieren ist, hält später eine neue Flächigkeit Einzug in die Manier des Künstlers. Zu sehen sind nun Stadtansichten, zum Teil auch menschenleere Architekturen, die den Maler reizen. Während ältere Malereien aufgrund der Farbpalette düsterer wirken, setzt er dem nun weitaus helleren Kolorit nach wie vor die schwarze Kontur entgegen. Doch büßen seine Farben zu keiner Zeit an Kraft ein.
Dekorative Floskeln werden ausgelassen, stattdessen konzentriert sich Peter Herrmann auf die Signifikanz des Wesentlichen. Was auf der Leinwand zu sehen ist, sind dem Betrachter gewohnte Szenen: Straßenzüge und Alltagsgegenstände. Das Auslassen von Ausschmückungen hinterlässt eine raue Ehrlichkeit. Und: Eine derart klare Formulierung des Motivs generiert Humor. Seine Motive erscheinen auf den ersten Blick simpel, wirken vielleicht daher humoristisch in Szene gesetzt, aber haftet dennoch eine dahinterliegende Tiefgründigkeit an seinen Arbeiten. Der Wäscheständer etwa, als Gebrauchsgegenstand ins malerische Licht gesetzt, wirkt in seiner Porträtierung auf der Leinwand wie eine Schelmerei – in Verbindung mit seinem Titel „Kleines Miststück“ wird dies weiter potenziert.
„Dieses komische Berlin!“, wie er einmal sagte, wurde zum Zentrum seiner Betrachtungen. Die Stadtansichten, angefangen bei den kleinen Beobachtungen eines Hundes Namens Rudi, über die In-Szene-Setzung einer vermeintlich nichtigen Kaffeemaschine, bis hin zu seinen großformatigen Städtezügen; das ist Peter Herrmanns Prozess der Weltaneignung, dies sind seine persönlichen Identifikationen mit der Stadt und in dieser Stadt. Peter Herrmann inszeniert keine Bilder, er malt uns allen bekannte Stadt- und Landschaftsszenen in ihrer Dinghaftigkeit, die uns aufgrund der Absurdität des Alltags auch ein Schmunzeln abgewinnen.
Doch setzt sich Peter Herrmann nicht nur mit seiner unmittelbaren Umgebung auseinander, seine ungebrochene Beschäftigung mit der Kunstgeschichte und seinen großen Meistern ist nach wie vor in seinen Arbeiten greifbar: So zitiert Herrmann in seinem Werk Salute Vittore Carpaccio die Arbeit Zwei venezianische Damen des Frührenaissancemalers Vittore Carpaccio von etwa 1490. Wer das Gemälde kennt, erinnert sich an die Konstellation zweier, auf den nächsten Kunden wartendender, Kurtisanen. Während die hintere Dame ihren Blick gelangweilt in die Ferne schweifen lässt, ist es die mit dem Hund spielende Frau, die unser Interesse weckt. Peter Herrmann zitiert diese Figurengruppe, doch münzt er die Situation der wartenden Damen auf Herrmann’sche Weise um. Seine Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte ist reflektierender und gleichzeitig humoristischer Art, er kopiert nicht, sondern übersetzt die Szenerie in seine, in unsere Welt. Salute Vittore Carpaccio vereint, was die Malerei Herrmanns programmatisch ausmacht: Ein genaues Beobachten der eigenen Umwelt ohne sich an Nebensächlichkeiten aufzuhalten und Malerei, die sich von kunsthistorischer Narration speist. Seine Arbeiten schwanken zwischen bewegter Heiterkeit und ruhender Melancholie, stets behaftet mit dem Gefühl des Augenzwinkerns.
Für die Stadt Dresden ist die Ausstellung HELLO RUDI eine große Bereicherung. Mit seiner frischen und modernen Malerei beweist Peter Herrmann mit seinen nun 80 Jahren, dass die Kraft seiner Inspiration und seiner Farben nach wie vor ungebrochen ist.
Nina Schwarzenberger