20 JAHRE GALERIE INES SCHULZ CONTEMPORARY ART in der DNN
Bericht vom 07.08.2018 / DNN
Leidenschaft, Risikofreude, Qualitätssinn
Ausstellung zu 20 Jahre Galerie Ines Schulz Contemporary Art in Dresden
von Klaus Nicolai
Dass Kunstwerke sich durch ihre Aura auszeichnen, durch einen einmaligen Akt der Schöpfung vom „Rest der Welt“ unterscheiden, scheint eine Binsenweisheit. Die „Eingeweihten“ wissen um die Fragilität der Echtheit oder Authentizität künstlerischer Werke. Spätestens seitdem Walter Benjamin den Bogen zwischen Kunst und ihrer technischen Reproduzierbarkeit gespannt hat, steht die Frage, ob technisch, ja medientechnisch fabrizierte Kunst-Ware jenseits der auratischen Einmaligkeit künstlerischen Wert besitzt. Vielleicht hat Aura mehr mit leibhaftiger Anwesenheit, mit Präsenz von Sensibilität, Geist, Ausdruck und Gestalt zu tun. Dies stellvertretend re-präsent im fertigen Werk. Konkurrenz und Abgrenzung sind dem künstlerischen Prozess als einem existenziellen eigentlich fremd. Befindet dieser sich nicht immer jenseits der Rezeption von Werken, gar ihrer Anbetung (Fetisch)?
Was mir in diesem Kontext auffällt, ist die unverwechselbare Aura der Galerie Ines Schulz Contemporary Art: Um mit Peter Kunze zu sprechen: „Einladung zu einer Tasse Jasmin Tee / Treten sie ein, hier können sie schweigen“. 20 Jahre Entfaltung einer Aura künstlerischer, unternehmerischer, vor allem aber menschlicher Präsenz! Wie erscheint Kunst in Form bildkünstlerischer Werke in welcher Umgebung? Und wie vertragen sich die auratischen Künstler mit der Aura einer Galeristin? Was spüren Besucher, Kunden, Sammler und Partner, wenn sie sich im Kunst-Raum Galerie Ines Schulz bewegen? Schon der Name verweist auf einen deutlich personalisierten Bezug der originären vis à vis Doppelgalerie quer über den Obergraben im Barockviertel der Dresdner Neustadt. Ines Schulz hatte schon vor ihrer eigenen ersten Galeriegründung ein inneres Feuer für lebendige Künstler und deren Werke als Mitarbeiterin einer damals benachbarten Galerie verspürt.
Neue Altmeister sind im Laufe der Jahre hinzugekommen. So z.B. der durch und durch versierte Hamburger Holz-Schnitzmeister, Inszenierungs- und Installationskünstler Georg Schulz (vgl. DNN-Rezension zu Ausstellung „Ungehobelt“) wie der Cottbuser Ausnahmekünstler Hans Scheuerecker oder Michel Meyer (Weinheim). Dann immer prägnantere Ausflüge in den aktuellen Zeitgeist, vertreten durch MeisterschülerInnen der HfBK wie z.B. Constanze Deutsch, Ruben Alexander Müller und Cecilia Pape. (Ausstellungen NOW, vgl. DNN vom 24./25.5.2017, S. 11 und The Artist‘s Gaze, vgl. DNN vom 14.2.2018, S. 11). Diesbezüglich mit originären Arbeiten vertreten und in kontrastreiche Nachbarschaft zueinander gebracht: Die HfBK-Meisterschüler Elizabeth Charnock mit ihrer techno-idyllischen Grafit-Landschaft „Isand City“ und Danny Linwerk mit seiner frischen und zugleich sphärisch-geheimnisvoll anmutenden Komposition „Währenddessen“. Letztere ein wunderbarer Balanceakt zwischen Geometrie, Poesie, Fauna und Flora. Auch die starken Bilder der einstigen HfBK-Absolventen Martin Paul Müller und Maja Drachsel sind – fast schon gewagt – in eine spannungsvolle Relation zueinander platziert worden. Dazu Expeditionen in völliges Neuland: Der „Kopf-Zeichner“ Bertram Riedel war im April/Mai neben dem weltläufigen Georg Brandner aus Graz erstmals öffentlich zu sehen. Nun ist das Talent mit dem prägnant-frischen Strich mit vier neuen Köpfen präsent. Ein Volltreffer jenseits akademischer Beweise und biografischer Auflistungen.
Wie kann die Galeristin ein Gemisch aus figürlichen und geometrisch-poetischen, wild-expressiven, etablierten und noch fremden Positionen, jüngeren und älteren Sichtweisen so bündeln, dass sie nicht in Addition und Beliebigkeit versinken, sondern anziehende Spannung und anregende Kontraste erzeugen? Wie kann man alltägliche Aufmerksamkeit schon an den Schaufenstern erzeugen und gleichzeitig kennerhafte Sammler und Museen zum Ankauf animieren? Dies wird wohl immer ein Geheimnis bleiben – das Geheimnis, das jeder lebendigen Individualität innewohnt: Die Wahrheit in der Kunst wie im Leben ist letztlich immer leibhaftig. Ohne menschliche Sensibilität, Reflektiertheit und Präsenz, ohne den Mut zur Abweichung entsteht weder Kunst noch eine Galerie, die künstlerisch und wirtschaftlich über Jahre erfolgreich agieren kann. Bis es dahin kommt, braucht es Zeit. Eine Galerie kann in diesem Sinne wie ein Gewächs, ein Organismus sein, der letztlich um die Galeristin und ihre engsten Partner herum nach außen wächst – ein Katalysator für Geselligkeit, Austausch und ästhetisch-kulturelle Fokussierung. In diese Richtung wird Ines Schulz ganz sicher noch weitere, ganz andere Schritte auch im Kontext der Profilierung des Dresdner Galerieviertels im Neustädter Barock-Ambiente gehen.